Im Frühjahr 1975 bearbeitet Therese Lindenberg (1892–1980) ihre während des Holocaust in Wien verfassten Tagebücher. So entsteht zusätzlich eine gekürzte und neu kompilierte Tagebuchfassung, der sie den Titel "Die apokalyptischen Jahre. 1938–1946" gibt. Darin wird auch entschlüsselt, was in den originalen Tagebuchaufzeichnungen einst nur angedeutet blieb. Denn die als "arisch" geltende Therese Lindenberg war mit einem "jüdischen" Mann verheiratet, lebte gemäß den nationalsozialistischen Rassegesetzen in einer "nicht privilegierten Mischehe". Dies bedeutete für beide Entrechtung und Enteignung, Terror und Angst vor der Deportation des Mannes. Während die einzige Tochter nach Manila geflüchtet war, überlebte das Paar letztlich im "Mischehenghetto" im 2. Wiener Gemeindebezirk – unter prekären Bedingungen.
Die von tiefer Religiosität und Naturverbundenheit geprägten Tagebücher jener Zeit werden in dieser Edition ebenso veröffentlicht wie deren im Alter erstellte, stärker dokumentierende Bearbeitung. Für die Leserinnen und Leser entsteht das einzigartige und berührende Zeugnis einer Frau, die sich in jenen Schreckensjahren des nationalsozialistischen Regimes dem Druck zur Scheidung nicht beugte und so ihren Ehemann rettete. Eine Einleitung zu ihrer Biographie und zu den Kontexten und Funktionen ihres Tagebuchschreibens sowie ein umfangreiches Register ergänzen die Edition.